Pack die Sonne in den Tank... 

 

Pflanzenölmotoren in der Buspraxis

 

Siebzig Prozent der Erdölreserven sind auf fünf Länder des Nahen Ostens konzentriert. Es sind die Staaten Bahrein, Iran, Irak, Kuwait und Saudi-Arabien. Daraus resultiert eine erdrückende Abhängigkeit. Andererseits hat jedes Land der Erde heimische Ölpflanzen, welche sich zur Kraftstoffherstellung eignen. Pflanzenöle sind reine Kohlenwasserstoffe. Ölpflanzen entziehen den Böden keine Nährstoffe. So gedeiht beispielsweise in der Sahelzone die Purgiernuss als Windschutzhecke. Deren Ölausbeute ist beachtlich. Der Ertrag der Ölpalme liegt bei 10.000 Liter pro Hektar. Würde man nur 12 % der Gesamtfläche Afrikas damit bepflanzen, könnte man damit den gesamten Welterdölbedarf decken. Bei Verwirklichung dieser Vorstellungen bekämen die Dritte-Welt-Länder ein vorzügliches Exportgut. Havarierte Pflanzenöltanker sind kein Umweltproblem. Fische bekommen ein unerwartetes Festmahl. Mikroorganismen bauen innerhalb kürzester Zeit die Reste des ausgelaufenen Pflanzenöls ab.

 

Chancen für die Landwirtschaft

Deutschland kann seinen Kraftstoffbedarf bei weitem nicht durch eigenes Pflanzenöl decken. Würde nur jeder vierte Hektar heimischen Ackerbodens mit Raps (Ertrag 1000 bis 1200 Liter/ha/Jahr) bepflanzt, könnte man lediglich 15% des aktuellen Jahresbedarfs erzeugen. Bei den mitteleuropäischen Ölpflanzen sind neben Raps Hanf, Ölrettich, Senf, Sonnenblumen und Lein zu nennen. Der durchschnittliche Jahresbetrag liegt bei 1000 Liter pro Hektar (bei tropischen Pflanzen bis 10 000 Liter). Die Energieausbeute eines Hektars bringt einen Personenwagen 20 000 km weit. Mit dem Ertrag der EU-weit stillgelegten Fläche von 3,5 Millionen Hektar könnten 3,5 Millionen Autos versorgt werden. Wenn auch eine Bedarfsdeckung damit nicht zu erreichen ist, so kann wenigstens eine Milderung der Ölimportabhängigkeit herbeigeführt werden.

 

Mischkulturen im Feldversuch

Seit mehr als drei Jahren laufen in Bayern Feldversuche bei Ökolandwirten. Ohne Mineraldünger und synthetische Spritzmittel werden Gerste, Roggen und Weizen, teilweise sogar Erbsen zusammen mit Leindotter ausgesät. Nach dem Dreschen können die Samen durch Siebsätze problemlos getrennt werden. Die Erträge der drei Getreidearten sind verglichen mit entsprechenden Monokulturen etwa gleich, die Backqualität ist aber besser. Es können höhere Preise erzielt werden. Die Erbsenerträge sind höher. Die Pflanzen haften sich an den Leindotter und bilden so mehr Schoten. Die Ölausbeute pro Hektar liegt zwischen 80 und 150 Liter. Bei Minimalbodenbearbeitung beträgt der Kraftstoffbedarf nicht einmal die Hälfte. Ein Unkrautdruck ist bei derartigen Mischkulturen nicht zu beobachten.

 

Reines Pflanzenöl als Dieselersatz

Schlechte Zeiten waren stets ein guter Nährboden für Experimentierfreude und Erfindergeist. Während der beiden Weltkriege fuhr man mit Holzgas. 2001 haben viele Betriebe ihre wahre Not mit den Kraftstoffpreisen. Hinter Firmeninsolvenzen verbergen sich teilweise tragische Schicksale. Während die Politik die Sorgen der Fahrzeughalter ignoriert bemühen sich Techniker intensiv um neue Kraftstoffkonzepte. Schon seit Jahren betreibt Georg Lohmann in München Dieselmotoren mit alternativen Kraftstoffen. Dabei überlässt er nichts dem Zufall. Kaum ein Stoff, welcher in Lohmanns Prototypenbau nicht zum Einsatz kam. Die Fachwelt ist verblüfft, wenn der Fachmann erzählt, dass bei Verwendung von Entenfett die Abregeldrehzahl überschritten wird. Gleichzeitig kann eine Leistungssteigerung im Vergleich zum Dieselbetrieb gemessen werden. In einer umfassenden Versuchsreihe hat Lohmann Dieselmotoren mit Bratenfett, Erdnussfett, Palmkernfett, Kokosfett, gereinigtem Frittierfett, Schweinefett, Gänseschmalz, Hammelfett, Rindertalg, Baumwollsamenöl, Purgiernussöl, Sesamöl, Sonnenblumenöl, gereinigtem Sojaöl und Rapsöl betrieben. Heute wissen wir, dass Dieselmotoren mit allen diesen Treibstoffen betrieben werden können. Techniker Lohmann baut auch Fremdfahrzeuge für den Betrieb mit Ersatzkraftstoffen um.

 

Bessere Verbrennung durch Erwärmung

Wer kein Unternehmen mit größerem Altfett- oder Gebrauchtölaufkommen betreibt, ist mit dem Gebrauch von Pflanzenöl am besten bedient. Es enthält mehr Energie als Benzin. Blei, Benzol und Schwefel sind nicht enthalten. Da der Flammpunkt über 300ƒCelsius liegt, kann es ohne technische Hilfe weder brennen noch explodieren. Daraus ergibt sich sowohl eine hohe Transportsicherheit als auch eine unproblematische Lagerfähigkeit. In Form von Ölpflanzen ist die Energie auf dem Acker verfügbar. Somit werden lange Transportwege eingespart. Die blauschwarzen Samenkörner des Raps werden in den nahegelegenen Ölmühlen ausgepresst. Das Öl kann ohne weitere Behandlung als Kraftstoff benutzt werden. Die Entflammbarkeit von Rapsöl liegt mit 320ƒ Celsius fast doppelt so hoch wie beim Dieselkraftstoff. Entsprechend schlecht ist die Zündwilligkeit. Dieses Phänomen bekommt man durch Kraftstoffvorwärmung in den Griff. So erhält der Sprit die erwünschte Viskosität. Entsprechend gut ist die Verbrennungsqualität. Vollständig verbrannter Kraftstoff hinterlässt keine Reste im Brennraum. Beim Umbau eines Seriendiesel auf den Betrieb mit Ersatzkraftstoffen wird ein zweiter, kühlwasserbeheizter Tank eingebaut. Dafür bietet sich die Reserveradmulde an. Pflanzenöle werden weniger erwärmt als Fette. Nach dem Umbau wird lediglich der Tank vom TÜV begutachtet. Durch Einbau des Zusatztanks ändert sich das Leergewicht. Die Nutzlast muss in den Fahrzeugpapieren korrigiert werden. Die Motoren selbst werden nicht verändert und stimmen weiter mit der Betriebserlaubnis überein. Ein Abgassondergutachten ist nicht erforderlich. Die Abgaswerte sind ausnahmslos besser als beim Dieselbetrieb. Beim Kaltstart wird der Motor mit Diesel angelassen. Bei Erreichen einer vorbestimmten Temperatur schaltet der Thermoschalter automatisch auf reines Pflanzenöl um. Damit der Kaltstart wieder funktioniert, wird ein Kilometer vor dem Fahrtziel wieder auf Dieselbetrieb umgestellt. Der ausschließliche Betrieb mit Diesel oder Biodiesel ist jederzeit möglich.

 

Professioneller Einsatz

Weit über 100 Dieselfahrzeuge wurden im Jahr 2000 bei Lohmann auf das Zweitanksystem umgebaut. Am 1. Juni 2000 hat Busunternehmer Christof Bühler aus Wilhelmsdorf den ersten Pflanzenölomnibus in Betrieb genommen. Mit dem Setra S 215 RL wurde das älteste Fahrzeug seiner Flotte in Eigenarbeit umgebaut. Nach dem Kaltstart mit Dieselkraftstoff hat man das Kühlwasserthermometer aufmerksam beobachtet. Sobald das Wasser Temperatur hatte, wurde von Hand auf Pflanzenöl umgestellt. Sorgfältig kam jede Betankung zur Niederschrift. Auch das Motorenöl hat man regelmäßig analysiert. Nach einer Laufleistung von rund 10.000 km wurde im Motorenöl ein Pflanzenölanteil von 6 % gemessen. Der Laborbefund bescheinigte dem Öl fehlende Schmierfähigkeit. Eine exakte automatische Kraftstoffumschaltung brachte schließlich die erhoffte Besserung. Nach einer weiteren Laufleistung von 28 460 km lag der Pflanzenöleintrag im Motoröl nur noch bei 0,4 %. Noch immer laufen Versuche zur Festlegung des optimalen Ölwechselintervalls. In einem knappen Jahr Pflanzenölpraxis kam es zu Störungen in der Steuerungstechnik und bei den Kraftstoffventilen. Zwischenzeitlich ist die Technik derart ausgelegt, dass die Versorgung im Störfall automatisch auf Dieselbetrieb übergeht. Christof Bühler ist von der Zweitanktechnik überzeugt. Von insgesamt 23 Bussen sind inzwischen 14 auf die neue Technik umgebaut. Zur Vermeidung von Garantieverlusten wartet man bei Neufahrzeugen mit der Umrüstung bis zum Ende der Gewährleistungsfrist. Voraussetzung für das Funktionieren des Zweitanksystems ist ein zuverlässiger Fahrerstamm. Wird ein Fahrzeug für längere Zeit abgestellt, so stellt der Fahrer etwa fünf Kilometer vor Erreichen des Zieles von Pflanzenöl auf Diesel um. Da im Winter bei jedem Stop mit Diesel gestartet wird, ist in der kalten Jahreszeit der anteilige Dieselverbrauch höher wie im Sommer. Der Kaltstart funktioniert nur mit Diesel (alt. Biodiesel). Jeden Morgen um fünf Uhr kontrolliert der Firmengründer Eugen Bühler den kompletten Fuhrpark auf Kühlwasser- und Ölstand. Dabei wirft er auch einen Blick auf den Kraftstoffschalter. Steht der Schalter auf Pflanzenölbetrieb, so kommt sofort die Motorheizung zum Einsatz. Nach neunzig Minuten ist über das Kühlwasser auch der Pflanzenöltank für den Motorstart ausreichend erwärmt. Neue Fahrer werden bei Einstellung geschult. Sie bekommen die Wirkungsweise der Technik erklärt, werden am Fahrzeug eingewiesen und bekommen die notwendigen Handgriffe zur Fehlerbehebung beigebracht. Bei Rückkehr werden Sie regelmäßig nach der Kraftstoffschalterstellung gefragt.

 

Pflanzenölversorgung gewährleistet

Überwiegend kommt bei Christof Bühler Rapsölraffinat zur Verwendung. Der Phosphorgehalt ist dort am geringsten. Kalt gepresstes Öl ist im Einkauf günstiger, hat aber mehr Schwebstoffe, Wasseranteile und Phosphor. Vor jeder Bestellung wird eine Analyse verlangt. Auch Sojaöl kommt in die engere Auswahl. Abhängig von den Währungsschwankungen sind die Preise beim Importöl immer in Bewegung. Lieferengpässe gab es noch nie und sind auch nicht zu erwarten. Die Firma Brökelmann (Brölio) in Hamm kann nahezu jede Sorte liefern. Der Nettopreis schwankt übers Jahr zwischen DM -,80 und DM 1,--.

 

Während sich die Pflanzenöltechnologie nach dem Knowhow von Georg Lohmann im Omnibusalltag bei Christof Bühler bewährt, denkt man in Wilhelmsdorf über die Umrüstung fremder LKW und Busse nach. Anfragen liegen genügend vor. Beim Umbau eines LKW sind Kosten ab DM 12 000,-- und für Omnibusse ab DM 15 000,-- zu veranschlagen. Beträge, welche sich im Nutzfahrzeugbereich schnell amortisieren. Mit dem Gebrauch von Pflanzenöl als Kraftstoff erschließen sich neue Perspektiven für Fahrzeughalter, Umwelt und Landwirtschaft.

 

Manfred W. Oestreich
Freier Journalist und Fahrlehrer
Themenschwerpunkte...
Nutzfahrzeug und Umfeld, dazu gehört LKW, Bus, Kommunalfahrzeug, Forsttechnik... Fahrzeugpräsentationen, Tests, Firmenkonzepte, Problemlösungen in Wort und Bild
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Infos

 
Omnibusverkehr
Bühler GmbH & Co.
Untere Lußstraße 25
88271 Wilhelmsdorf
Tel. 07503 / 1221
Fax. 07503 / 722

 
Georg Lohmann
Prototypenbau
Welfenstraße 12
81541 München
Telefon / Fax 089 / 48 48 37
eMail lohmann@biocar.de

Infobox

Unterscheide reines Pflanzenöl und Biodiesel.

Biodiesel oder Rapsmethylester (RME)..

hat einen geringeren Energiegehalt wie naturbelassenes Pflanzenöl. Daraus resultiert ein Kraftstoff-Mehrverbrauch

  • ist wassergefährdend und für Menschen giftig. Herstellung, Lagerung und Verkauf in Tankstellen unterliegt den Bestimmungen für wassergefährdende Stoffe.
  • Bei der Verarbeitung des Rapsöls zu Biodiesel (Veresterung) entstehen hohe Kosten.
  • Bei der Verteilung werden lange Wege zurückgelegt : Feld - Ölmühle - Raffinerie - Tankstelle
  • verhält sich wie leichtes Lösungsmittel. Es greift Lack an und zerstört Kunststoffschläuche und Dichtungen.
  • verdünnt das Motoröl
  • Der günstige Verkaufspreis ist das Ergebnis einer aufwendigen Subventionspolitik

 

Pflanzenöl...

ist ungiftig

  • kann ohne Umwege dezentral hergestellt und angeboten werden. Kurze Wege : Feld - Ölmühle - Verbraucher
  • ist preiswert
  • ist CO2-neutral. Pflanzenöl setzt bei seiner Verbrennung lediglich so viel des Klimagases frei, wie die Ölpflanze während des Wachstums CO2 in Sauerstoff verwandelt hat.

 

Fotos Oestreich